Erst als der Tod ganz nah war, habe ich das Leben wirklich gespürt.
- Arne Janssen
- 17. Sept.
- 8 Min. Lesezeit
Ich dachte, ich lebe. Doch dann kam der Wind …

💬 Ein paar persönliche Worte vorweg…
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Beitrag überhaupt veröffentlichen soll.
Nicht, weil ich ihm nicht vertraue,
sondern weil er so persönlich ist.
Weil er aus einer Zeit kommt, in der mein Herz wund war, mein Blick klarer wurde, und mein Innerstes sich neu geordnet hat.
Was du gleich liest, ist kein „Blogbeitrag“ im klassischen Sinn.
Er ist nicht geplant entstanden, nicht strategisch, nicht mit dem Gedanken an Wirkung.
Er ist aus dem Leben heraus entstanden, aus einer Zeit, in der der Tod ganz nah war.
Und in der das Leben plötzlich mit einer solchen Kraft spürbar wurde, dass ich nicht anders konnte, als zu schreiben.
Es ist ein ehrlicher Versuch, Worte für etwas zu finden, das eigentlich sprachlos macht.
Ein Stück Weg.
Ein leises Innehalten.
Ein Echo aus einer Tiefe, die ich selbst erst wieder entdecken musste,
als alles in mir stiller wurde.
Ich teile diese Zeilen, weil ich glaube, dass wir viele dieser Gedanken gemeinsam tragen,
auch wenn wir selten darüber sprechen.
Vielleicht findest du dich in ihnen wieder.
Vielleicht erinnerst du dich… an jemanden, an dich selbst, an das, was wirklich zählt.
Danke, dass du da bist.
Danke, dass du liest.
Danke, dass du fühlst.
Wenn das Leben dich wachrüttelt und der Tod dich erinnert
Es ist seltsam mit dem Leben.
Wir wachen morgens auf, machen Pläne, hetzen los, beantworten Nachrichten, kochen, lachen, ärgern uns, schlafen ein … und tun so, als hätten wir unendlich viele Tage.
Aber niemand hat uns das je versprochen.
Niemand weiß, wann das Leben seinen Kurs ändert.
Es kann leise passieren. Oder mit einem Knall.
Ein Anruf. Ein Arzttermin. Ein Schatten auf dem Bildschirm.
Ein Moment. Und nichts ist mehr, wie es war.
Hast du schon mal so einen Moment erlebt? Einen, der alles verändert hat. Nicht nur außen, sondern innen?
Ich habe in den letzten 2 Jahren erlebt, wie sich alles verschieben kann.
Wie Schmerz die Zeit langsamer macht.
Wie Krankheit die Luft verändert.
Wie plötzlich nur noch zählt, was wirklich zählt: Liebe. Nähe. Echtheit.
Der Tod – so brutal das klingt – hat mir Dinge gezeigt, die ich vorher nicht sehen wollte.
Nicht, weil ich nicht hinschauen konnte, sondern weil das Leben so laut war.
Aber wenn jemand, den du liebst, schwer erkrankt, dann kannst du nicht mehr weghören.
Dann wirst du wach.
Und mit dem Erwachen kommt eine Klarheit, die weh tut, aber dich gleichzeitig verwandelt.

Und ja, es ist kräftezehrend.
Doch was da geschieht, ist mehr als Schmerz.
Es ist ein inneres Neusortieren. Eine Art psychisches Umschalten.
Die Psychologie spricht manchmal von posttraumatischem Wachstum.
Diese merkwürdige Fähigkeit der Seele, gerade nach Erschütterung zu reifen.
Und das passiert nicht im Kopf.
Sondern dort, wo du dich fühlst. Wo du atmest. Wo du plötzlich still wirst und das Leben wieder mit offenem Herzen betrachtest.
Vielleicht spürst du gerade beim Lesen, was in dir selbst noch ungefühlt ist. Vielleicht schiebt sich eine Erinnerung ins Herz. Lass sie kurz da sein.
Früher habe ich viel geplant.
Heute frage ich mich: Was, wenn das „Später“ nie kommt?
Was, wenn der Moment, den du aufschiebst, gar nicht mehr wartet?
Diese Gedanken sind unbequem.
Aber genau da beginnt echte Achtsamkeit. Nicht als Methode, sondern als Zustand.
Als innerer Blick, der erkennt: Das Leben findet nicht irgendwann statt.
Sondern genau jetzt. In diesem einen Moment. In deiner Präsenz.
Wenn wir tief in der Gegenwart sind, beruhigt sich nicht nur unser Nervensystem.
Wir kommen auch wieder in echten Kontakt mit uns selbst.
Mit dem inneren Kind, das gesehen werden will.
Mit den unerhörten Bedürfnissen.
Mit der leisen Stimme, die oft unter Funktionieren und Erwartungen begraben liegt.
Wann warst du das letzte Mal ganz da bei dir? Ohne To-do-Liste. Ohne Maske. Einfach nur als Mensch mit offenem Herzen?
Ich glaube, dass der Tod ein Lehrer ist. Kein beliebter. Aber ein sehr weiser Lehrmeister.
Er nimmt dir nichts, was dir nicht irgendwann ohnehin genommen wird.
Aber er zeigt dir, wie wertvoll es war.
Er erinnert dich daran, wie sehr du geliebt hast.
Wie viel du gefühlt hast.
Wie tief du verbunden warst. Auch wenn du es nicht immer zeigen konntest.
Vielleicht ist das seine eigentliche Frage:
„Warst du wirklich da?“
Für viele Menschen beginnt genau da eine neue innere Ausrichtung.
Die Prioritäten verschieben sich.
Nicht, weil man plötzlich „besser“ wird, sondern echter.
Weil man nicht mehr will, was glänzt. Sondern was wärmt.
Weil man nicht mehr alles erklären muss. Sondern sich endlich selbst zuhört.
Und vielleicht macht uns all das auch sensibler.
Für manche klingt das wie etwas Negatives. Zu empfindlich, zu weich, zu dünnhäutig.
Aber was gibt es eigentlich Schöneres, als sensibel zu sein?
Sensibel zu sein heißt: Du spürst mehr. Du siehst mehr. Du liebst tiefer.
Du gehst vielleicht schneller in die Knie, aber du stehst auch auf mit mehr Bewusstsein.
Sensibilität ist kein Fehler im System. Sie ist das Tor zu echter Verbindung.
In einer Welt, die oft taub geworden ist für Zwischentöne, bist du dann das feine Ohr. Das fühlende Herz. Das lebendige Da-Sein.

Seitdem ich mich mit dem Tod beschäftige, lebe ich anders.
Achtsamer. Sanfter. Ehrlicher.
Ich reagiere schneller, wenn mein Herz eng wird.
Ich erkenne früher, wenn ich über meine Grenzen gehe.
Ich spreche Gefühle aus, die früher irgendwo zwischen „nicht jetzt“ und „zu viel“ verloren gegangen wären.
Ich lasse los, was mich klein macht. Nicht aus Trotz, sondern aus Liebe zu mir selbst.
Und das fühlt sich nicht nach Flucht an, sondern nach Rückkehr.
Zu mir. Zu meinem inneren Kompass.
Zu der Stimme, die sagt: Du darfst. Du musst nicht stark sein. Du darfst einfach da sein.
Und du auch.
Du darfst müde sein.
Du darfst lieben, ohne Antworten zu haben.
Du darfst loslassen. Und du darfst wieder vertrauen.
Bevor du gehst…
Was soll ich dir mit all dem sagen?
Vielleicht suchst du nach einer konkreten Antwort. Einer Lektion.
Aber dieser Text ist kein Ratgeber. Er ist ein Herz-Gespräch.
Ich habe ihn geschrieben, weil ich in den letzten 2 Jahren gemerkt habe, wie sehr uns das Leben verändern kann. Und wie sehr wir uns selbst dabei begegnen, wenn wir es zulassen.
Ich wollte dich erinnern.
Daran, dass du nicht alleine bist mit deinen Fragen.
Daran, dass du fühlen darfst, auch wenn es weh tut.
Daran, dass du nicht stark sein musst, um wertvoll zu sein.
Vielleicht war mein eigentlicher Impuls beim Schreiben:
dich sanft zu berühren. Dort, wo du dich lange nicht gespürt hast.
Nicht mit Erklärungen, sondern mit Nähe.
Und wenn du dich jetzt fragst, warum das alles manchmal so schwer ist, dann lass dir sagen:
Auch das hat einen Sinn.
Denn genau dort, wo wir zerbrechlich werden, öffnet sich Raum für etwas Neues und Tiefe.
Die Psychologie beschreibt das oft als Regulation durch Verbindung.
Wenn du in Resonanz gehst – mit einem Menschen, mit einer Erinnerung, mit einem Text wie diesem –
kann dein Nervensystem heilen. Deine innere Welt beginnt sich neu zu ordnen.
Und vielleicht ist das der erste Schritt:
Nicht alles lösen zu müssen.
Sondern dich selbst wieder zu fühlen.
Wenn du beim Lesen an jemanden gedacht hast – oder an dich selbst in einer früheren Zeit –
dann warst du in Kontakt. Und das ist sehr wichtig und mehr, als du vielleicht gerade spürst.
Vielleicht möchtest du dich heute einfach mal fragen:
„Was in mir braucht gerade Mitgefühl – statt Bewertung?“
Und:
„Was möchte ich nicht mehr auf später verschieben?“
Falls du ein Journal führst, dann könnten genau das heute deine Fragen sein.
Nimm dir ein paar ruhige Minuten.
Schreib nicht für das perfekte Ergebnis, sondern für dich.
Für dein Herz. Für dein inneres Sortieren.
Manchmal genügt ein einziger ehrlicher Satz, um etwas in Bewegung zu bringen.
Schlussgedanke ...
Vielleicht geht es nicht darum, den Tod zu besiegen. Sondern das Leben zu umarmen, bevor es still wird.
Vielleicht sind wir nicht hier, um alles zu kontrollieren.
Sondern um uns berühren zu lassen.
Seit ich mich mit dem Tod auseinandersetzen musste, hat sich mein Spüren verändert.
Nicht dramatisch. Ganz leise.
Fast wie ein langsames Aufwachen in einem Raum, den man vorher nur im Dunkeln betreten hat.
Ich nehme den Wind und andere simple Dinge inzwischen auf eine ganz andere Weise wahr.
Den Wind zum Beispiel. Nicht mehr bloß als Wettererscheinung, als Hintergrundrauschen, das man hinnimmt oder ignoriert.
Sondern als stille Botschaft.
Als zarte, aufrichtige Berührung des Lebens selbst.
Vor ein paar Tagen stand ich einfach so im Garten. Der Hund musste raus.
Es war windig. Dieser lebendige, wilde Wind, der nicht unangenehm kalt war, sondern wach.
Ich habe gespürt, wie er über meine Haut gestrichen ist.
Wie er meine Haare in Bewegung gebracht hat.
Und wie er mich, mitten im Chaos und Lärm des Alltags, fast unbemerkt umarmt hat.
Ganz still. Ganz absichtslos. Einfach da.
Vielleicht klingt das für andere banal.
Vielleicht würden viele gar nicht bemerken, was da geschieht.
Aber ich war in diesem Moment vollkommen im Hier und Jetzt.
Ich war nicht in Gedanken. Nicht in Erinnerungen. Nicht in Ängsten.
Ich war einfach da. Und auf einmal erfüllt von einem Gefühl, das ich kaum greifen konnte.
Einer schlichten, reinen Freude darüber, dass ich den Wind auf meiner Haut spüren darf.
Dass ich überhaupt etwas spüren darf.
Und dass genau das reicht, um lebendig zu sein.
Es war so simpel.
Und genau deshalb so besonders.
Ich habe die Natur gespürt. Nicht als Kulisse.
Sondern als Teil von mir.
Und inmitten dieser Stille, dieser feinen, offenen Gegenwärtigkeit,
lief mir plötzlich eine Träne über die Wange.
Wegen des Windes.
Wegen der Sanftheit.
Wegen der überwältigenden Erkenntnis, dass dieser eine kleine Moment mir mehr über das Leben sagt als so viele große Worte.
Ich kann kaum in Worte fassen, wie ich mich in dieser Sekunde gefühlt habe.
Es war nicht nur schön. Es war heilig.
Und all das – diese Tiefe, diese neue Offenheit, diese rohe Dankbarkeit –
ist nur möglich geworden, weil ich mich mit dem Tod auseinandersetzen musste.
Er hat mich nicht nur mit der Endlichkeit konfrontiert,
sondern auch mit der Kostbarkeit jedes einzelnen Atemzugs.
Und plötzlich wurde aus einer scheinbar belanglosen Szene im Garten
ein stilles Wunder.
Ein Moment, der früher bedeutungslos gewesen wäre, wurde zum Geschenk.

Die Weichheit einer Decke.
Der Geruch von Tee.
Das leise Knacken von Holz und Blättern unter meinen Füßen beim Spazieren im Wald.
Das Licht, das morgens durch das Fenster fällt.
Als würde es mir sagen:
„Du bist noch hier. Und das ist nicht selbstverständlich.“
Es sind diese Kleinigkeiten, die mir zeigen, dass ich lebe.
Nicht die großen Erfolge. Nicht das, was glänzt.
Sondern das, was ich fühle, wenn ich still werde.
Psychologisch gesehen ist genau das ein Zeichen dafür, dass sich unser Nervensystem aus einem inneren Alarmzustand zurück in die Wahrnehmung bewegt.
Wenn der Körper wieder spürt, wenn Geräusche, Berührungen und Licht nicht mehr „rauschen“, sondern ankommen, dann beginnt etwas zu heilen.
Wir sind nicht mehr im Überleben.
Wir leben wieder.
Ich nenne es: Wieder fühlen lernen.
Nicht mit dem Kopf. Sondern mit der Haut. Mit dem Herzen. Mit allem, was ich bin.
Vielleicht wirst du auch sensibler, wenn du anfängst, dem Leben wieder zuzuhören.
Und vielleicht ist das kein Zeichen von Schwäche.
Sondern von Reife.
Vom Wind auf der Haut.
Vom Lachen eines geliebten Menschen.
Von einer Träne, die nicht versteckt werden muss.
Vielleicht sind das die eigentlichen Wunder.
Das Leben würfelt nicht gegen dich.
Aber es fragt dich leise, in jedem Moment:
„Was machst du mit dem, was dir heute geschenkt wurde?“
Und vielleicht ist diese Frage
nicht die letzte.
Sondern der Anfang von allem.

💬 Wenn du dich angesprochen fühlst…
…dann lies mit. Still, wenn du magst. Oder kommentiere und lass mir ein Like da, wenn dich etwas berührt hat. Hier muss nichts laut sein, hier darf einfach alles sein.
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